Das Thema Personalberatung in Ungarn war bisher nicht im Focus meines primären Interesses. Als Auftraggeber hatte ich natürlich über viele Jahre zahlreiche Kontakte und habe auch aktuelle Kenntnisse aus der Praxis. Für einen Expert würde ich mich doch nicht halten. Gerade deswegen hat mich den Anruf eines deutschen Geschäftsfreundes aus der HR-Branche überrascht, der mich über das gegenwärtige System und die Lage der Personalberatung, inklusive der Position der lokalen Personalberater fragte. Die Ursache lag an den Plänen seine Tätigkeit Richtung Osteuropa, inbegriffen Ungarn zu erweitern. Ich habe um etwas Zeit gebeten und mich vor dem Gespräch schlau gemacht.
Beim darauffolgenden Treffen in Budapest, ging es dann konkret über das Thema, etwa wie folgt:
Hallo Ferenc, es ist nett Dich wieder zu sehen. Vor allem freue ich mich für des Gespräch über meine mögliche Chance als Personalberater in Ungarn. Fangen wir mal mit der Allgemeinlage der Geschäfte in Ungarn an. Gibt es hier noch Wachstumspotential? Wie sieht es mit der Dynamik aus?
Qualitative Änderungen kommen
Ja Dieter, die generelle Lage sieht so aus, dass etwa nach 8 Jahren organischen Wachstums sicherlich eine qualitative Änderung zu erwarten ist. Das einfache extensive Wachstum – dank den zahlreichen Neuinvestitionen ausländischer Firmen sowie dem ungarischen Mittelstand – aus vielen Gründen so nicht weiter entwicklungsfähig ist.
Wieso denn nicht? Die Löhne und Gehälter sind doch noch günstig, nicht wahr? Das stimuliert doch die Investitionen.
Nicht ganz so Dieter. Einerseits wachsen vor allem die Löhne dynamisch, andererseits sind die Arbeitskräfte knapp geworden. Gerade das letztere ist der Engpass.
Knapp geworden? Engpass? Was heißt das?
Die besten haben das Land verlassen. Mehrere Hunderttausende arbeiten wo anders im Westen. Die Gesellschaft wird älter, mehr gehen in Rente als fangen an zu arbeiten. Vor allen die Facharbeiter fehlen, aber generell gibt es kaum noch Leute, die Arbeit suchen. Auch in den östlichen und südlichen Randgebieten ist es schwierig geworden. Investitionen, die nur angelernte Fließbandarbeit brauchen, finden keine gute Bedingungen mehr. Wenn es ausschließlich darum geht, wo die Lohnkosten am niedrigsten sind, kommt Ungarn bald nicht mehr zum Ball.
Investitionen ja, aber eher für Tätigkeiten, wo es um qualitativ hochwertige Arbeit geht. Das wird der Wirtschaft eine neue Dynamik geben. Da lieget auch deine große Chance als Personalberater. Neue Anforderungen sind gleich neue Manager. So meine ich.
Neue Anforderungen sind gleich neue Manager

Für Dich sind die Führungskräfte geschäftlich interessant, denke ich.
Ja, ja die Führungskräfte aller Ebenen von CEO-s bis hin zu Schichtleitern. Wir sind universell.
Das ist gut, da man aus den genannten Gründen eine neue Dynamik im Gebiet Personalberatung annehmen kann. Die Anforderungen ändern sich rasch. Eine große strukturelle Veränderung ist vorzusehen. Dazu braucht man sicherlich neue Führungskräfte mit neuen Fähigkeiten. Leute, die den neuen Anforderungen nachkommen können. Ich bin ganz sicher, dass dieser Trend auch bei den traditionellen Firmen zu Änderungen in der oberen, mittleren und sogar unteren Managementebene führt.
Neue Führungskräfte mit neuen Fähigkeiten
Es liegt eigentlich nicht nur an der Technik oder an den Prozessen (Industrie 4.0), sondern auch an dem Generationswechsel. Zahlreiche Firmen haben noch das Management erster Generation seit der Gründung. Das betrifft viele ungarische Firmen, die von den Gründern geführt werden. Diese Leute sind heute schon fast alle über 65 – 70. Aber auch die erste Management-Generation von Töchtern ausländischer Konzerne befinden sich in ähnlicher Situation.
Also der Markt für Personalberatung wächst. Vor allem qualitativ. So denke ich jedenfalls.
Das ist alles schön. Aber wie funktioniert zurzeit der Markt? Wie sieht er strukturell aus?
Das Bild ist sehr bunt. Es gibt
- die klassischen Personalberater, teils ausländischer Herkunft, meist in internationalen Franchiseketten integriert (Kienbaum als Tochter des deutschen Stammhauses, TranSearch als Mitglied einer Franchisekette etc.),
- die Freelancer, die praktisch oft zu einigen Auftraggebern angebunden sind und klassisches Suchen machen,
- die dynamischen jungen Firmen, die eine limitierte Beratung und die Internetsuche kombinieren statt umständlicher Konsultationen und meist keine klassische Short List vorlegen (Humanfield etc.),
- die reinen Internetfirmen/Datenbanken, die von angelernten Arbeitern bis zur mittleren und unteren Managementebene universell aktiv sind (Profession, etc.),
- die Interim Provider (Hammel&Hochreiter, Interim, IMR etc.), wo dann bei Bedarf der Kandidat auch zu Fixanstellung kommen kann, bzw. selbständige Interimsmanager (Ferzit als Bsp.), die oft ebenfalls durch div. Personalberater zu ihren Aufträgen kommen,
- die universelle HR-Provider, die neben Leiharbeiterzustellung ebenfalls für alle Führungsebene aktiv sein können (Randstad, Trenkwalder etc.),
- die Coaching- und Trainingsfirmen, die sich – zwar selten aber – gelegentlich ebenfalls in die Geschichte einmischen.
Ich konnte sicherlich nicht alle aufzählen, aber etwa so sieht der Marktstruktur aus.
Wesentlich bunter als ich dachte. In Deutschland ist es auch nicht viel anders, sind vielleicht die Traditionen etwas stärker und somit jeder weiß, von wem was zu erwarten ist.
Ja, da könntest Du recht haben. Hier ist es nicht immer so transparent, viele versuchen neue Wege zu begehen während auch die klassische Methode noch funktioniert. Die neuen und flexiblen Lösungswege haben sicherlich gute Zukunftschancen. Ich denke hier beispielweise an die Manager auf Zeit.
Wenn ich das also richtig verstehe, es gibt einen wachsenden Markt. Vor allen, weil man den neuen progressiven Anforderungen nachkommen muss und somit in vielen Fällen neue Manager braucht. Sei es die CEO-Ebene oder eben hochqualifizierte Fachkräfte mit Führungsfunktionen. Ist das so richtig?
Der Markt wächst
Ich glaube schon. Wichtig ist es, dass man den Zeitgeist versteht. Die Nachfrage wird sich nach progressiven Führungskräften wachsen. Es werden Leute gesucht, die die neuesten Verfahren, Methoden, Technik, Marketing, Kommunikation etc. kennen oder sind bereit sich weiterzuentwickeln. Die Zukunft gehört zu innovativen und flexiblen Führungskräften. Mit den „Bonzen“ kommt man nicht mehr voran.

Da hast Du wahrscheinlich Recht. Wie sieht es mit den Honoraren für eine Personalberatung aus?
Die klassische Methode von 3 bis 4 Monatsgehältern der Kandidaten in Steps von 1/3 – 1/3 -1/3 findet man nur bei den sehr klassischen Personalberatern. Meist auch nur dann, wenn es um einen alten Vertrag handelt oder der Berater einen ausgesprochen schwierigen Auftrag bekommt.
Sonst sieht die Palette sehr bunt aus. Von Fix-Summe nachhinein bis zum Erfolgshonorar findet man alles. Es hängt natürlich auch stark von der Position ab.
Die günstigsten sind natürlich die teilweise und reine Internetanbieter. Da hat man als Auftraggeber allerdings die meiste Arbeit. Fehlende Short List, nicht tiefgehende Dokumentation etc. machen das Leben schwer.
Es gilt wie überall: Qualität wird bezahlt. Über die konkreten Honorare für die Personalberater sowie die Gehaltslage/Kosten der Führungskräfte aller Art generell können wir dann noch separat sprechen.
Kann es überhaupt profitabel sein? Wenn ja, wann?
Auf die Qualität kommt es an
Als Newcomer wahrscheinlich nicht gleich. Wenn man im Heimatmarkt gute Verträge hat, wo der Auftraggeber auch in Ungarn aktiv ist oder sein könnte, hat man es natürlich etwas leichter. Ansonsten hängt vieles von der aktiven Marketingarbeit ab. Das ist so aber mühsam. Die Lösung liegt – wie immer – in den Händen des lokalen Geschäftsführers. Wenn er oder sie sehr gute Branchenkenntnisse hat und auch im Bereich Marketing und Networking zu Hause ist, kommt man nicht mehr so verloren vor. Der Weg ist aber nicht leicht.
Der Anfang wäre in Ungarn nicht viel schwieriger als in den anderen Ländern Osteuropas.
Danke Ferenc für den Überblick. Ich sehe, es ist hier auch nicht viel anders als in meinem Heimatmarkt. Der Unterschied liegt vielleicht ein bisschen in der zu erwartenden Dynamik und in der Zuwendung zu neuen flexiblen Lösungen. Nicht ganz hoffnungslos.

Häufig Gestellte Fragen (FAQ)
Einerseits die neuen Anforderungen, anderers der Generationswechsel.
Leider nicht, die deutsche Sprache gehört nicht zu den Prioritäten.
Ja, sicherlich, vor allem bei mittleren Fachmanagerpositionen, wo es schon heute ein Mangel besteht.