Als operativer Interim Manager in Ungarn begegne ich in Einzelgesprächen häufig die Nachfrage bzw. die Notwendigkeit von Restrukturierung und Transformation. Diese Gespräche finden immer im Zusammenhang mit einem akuten oder chronischen Geschäftsproblem statt. Davon sind die deutschstämmigen, etwa 2 400 Firmen in Ungarn auch keine Ausnahme.
Aber das sind keine Synonyme, sie sind nicht geleichwertig.
Komplexität und Differenzierung bezüglich Restrukturierung oder Transformation
Der oben genannte Bedarf, sei er restruktureller oder transformativer Natur, kann meist durch starke externe Interventionen gedeckt werden. Glücklicherweise werden heute keine Berater mehr für diesen Bereich gesucht, sondern eher ein operativer Manager mit voller Verantwortung. Im Gegensatz zu Beratern liegt die Leistung eines operativen Managers nicht in der Beratung, sondern in der Ausführung.
Beide Bereiche sind HR-bezogen. Dagegen handeltes sich doch nicht um die klassische Mitarbeitersuche, und somit erfolgt die Einbindung der richtigen Fachkraft in der Regel ohne die HR-Organisation.
Weil diese Bereiche fast ausschließlich von Interim-, also freiberuflichen Manager bearbeitet werden, starten die Eigentümer oder das höhere Management auf Konzernebene die Suche nicht über die klassischen HR-Kanäle und beziehen somit auch nicht die Personalabteilung des Unternehmens mit ein. Für die Auftraggeber fühlt sich die HR in diesem Projekt auch etwas fremd und somit wird fast ausschließlich ein völlig neutraler CRO oder CTO gewünscht, der zu niemandem im Unternehmen eine Verbindung hat, nicht einmal zu der Personalleitung.
In einer signifikanten Anzahl von Fällen wird zunächst gar nicht bewusst getrennt, ob es sich um eine Umstrukturierung oder eine Transformation handelt. Dies kann zu schwerwiegenden Missverständnissen führen.
Die Restrukturierung, Umstrukturierung
Der Restrukturierungsbedarf entsteht immer im Zusammenhang mit einem akuten Problem. Oft aufgrund von Druck von außen, z.B. auf Initiative des kreditgebenden Finanzinstituts, rapide Umsatzrückgänge, erhebliche Marktverluste, Liquiditätskrisen, gravierende Ineffizienzen, anhaltende Verluste und der damit verbundene Verlust von Marktimage und dergleichen sind die Hintergründe.
Infolge von solchen Fällen ist schnelles und entschlossenes Handeln erforderlich. Das sind schmerzhafte Schritte, die jeden sofort aus seiner Komfortzone drängen. Die Eigentümer und das Management benötigen externe Hilfe in der Person eines erfahrenen CRO (Chief Restructuring Officer). Da hinter der Entscheidung akute und bedrohliche Probleme stehen, bleibt keine Zeit für langwierige Ausschreibungen und klassische Personalsuchen. Dementsprechend, ein projektbezogener Freelancer, der auch in Restrukturierungen erfahren ist, kann innerhalb kurzer Zeit durch professionelle Provider, Networking oder Referenzen gefunden und innerhalb weniger Tage an die Spitze des Projekts gesetzt werden.
Der Faktor Zeit ist bei Restrukturierungsprojekten extrem wichtig. Die Erfahrung zeigt, dass die Entscheidung der Klienten auch relativ spät reif wird, weil es verständlicherweise mental verzögernde Hindernisse dafür gibt. Ein professioneller CRO versteht die Situation schnell, versteht ihre Komplexität und kann die Grenzen des Projekts einschätzen. Dabei passt er das Programm flexibel an und scheut sich nicht, kontinuierlich Korrekturen vorzunehmen und dabei auch eigene Fehler zu korrigieren. Es wird daraus keine „Prestigefrage“ gemacht.
Der Vorrang der operativen, taktischen Schritten bei Restrukturierung
Obwohl die Aktivitäten von CRO viele strategische Komponenten umfassen, wird das Handeln sozusagen vor allem von taktischen Elementen dominiert. Es gilt, so schnell wie möglich aus der bedrohten Situation herauszukommen. Aber neben den bekannten Schritten wie Senkung der fixen und variablen Kosten, Personalabbau, unvermeidliche organisatorische Veränderungen usw., wird auch ein besonderes Augenmerk auf eine nachhaltige Zukunft gelegt. Somit werden solche Komponenten (Vermögenswerte, Markt, Fachleute usw.) nicht abgebaut, auf denen die Zukunft des Unternehmens wieder aufgebaut werden kann.
Der Prozess kann nicht aufgeschoben oder bis ins Detail geplant werden. In den ersten drei Monaten entscheidet sich, ob das Projekt überhaupt zum Erfolg gebracht werden kann. Entscheidend ist die Rolle der Eigentümer und des bestehenden lokalen Managements, deren Attitude den Spielraum des – meist interimistischen – CRO bestimmt.
Der Umstrukturierungsprozess ist ein relativ schneller Prozess, der sollte in 6-12 Monaten zu signifikanten Ergebnissen führen. Jedoch die eigentliche Stabilisierung wird noch länger dauern. Und hier kann man den Prozess leicht ruinieren, weil die ersten Ergebnisse bedeuten keinen dauerhaften Erfolg. Die systematische Pflege und kontinuierliche Anpassung sind unerlässlich, eine Regression kann für das Projekt schon mittelfristig tödlich sein.
Die Transformation
Der Transformationsbedarf kann auch durch eine Krisensituation ausgelöst werden, meist aber durch Stagnation, bemerkenswerte Schrumpfung, Abweichungen vom Markttrends, ständiger Marktkampf, Betrieb andauern um das Break-Even oder sogar Generationswechsel. Trotz alledem funktioniert das Unternehmen, es gibt keine gefährlichen Liquiditätsprobleme, aber es gibt keine Mittel für F&E bzw. Innovation, für Investitionen, die Eigentümer sind unzufrieden oder sogar entmutigt. Management und Mitarbeiter gehen ihren täglichen Routinen nach, und die Alterspyramide wird auch langsam veraltet.
Findet eine Erkenntnis seitens Eigentümer und/oder hohen Managements statt und wird dem Transformationsprozess Raum gegeben, empfiehlt es sich dies unter Einbeziehung eines externen – wiederum meist interimistischen – CTO (Chief Transformation Officer) durchzuführen.
Die Dominanz der strategischen Elemente bei der Transformation
Transformation ist ein hochgradig strategischer Prozess, obwohl es viele taktische Elemente gibt. Vor allem, wenn eine Restrukturierung glücklicherweise in eine Transformation übergeht. Dies kann bei erfolgreichen Restrukturierungsprojekten passieren und könnte ein gewünschtes Modell für alle Transformationsprojekte sein.
Somit ist eine Transformation ein deutlich längerer Weg als die oben beschriebene Restrukturierung. Es dauert mehr als ein Jahr, aber die echte, dauerhafte, stabile Veränderung braucht sicherlich zwei bis drei Jahre. Dies ist eine langfristige Investition.
Das gilt vor allem dann, wenn sich auch die Unternehmenskultur deutlich verändert, was in der Regel auch das Ziel ist. Es ist nicht nur zeitaufwändiger, sondern auch breiter in deren Ausarbeitung. Es kann u. U. durch eine ERP-Ablösung, eine komplette Umstrukturierung des Controllings, einen Wechsel der Eigentümerrolle/-beteiligung gekennzeichnet werden. Ein erfahrener CTO zieht es vor, immer nur eine Front zu eröffnen und erst nach deren Schließung eine andere zu beginnen, während sich ein CRO diesen „Luxus“ nicht leisten kann.
Die Bedeutung der internen Kommunikation
Sowohl für CRO als auch für CTO ist es erforderlich, dass die Mitarbeiter eine klare Antwort auf ihre berechtigte Frage: „WARUM?“ erhalten. Probleme, die bisher verschwiegen oder bagatellisiert wurden, müssen den Mitarbeitern ehrlich mit all ihren Konsequenzen präsentiert werden. Geschieht dies nicht und verstehen die Mitarbeiter den Grund für die Maßnahmen nicht, kann das Projekt nicht erfolgreich abgeschlossen werden.
Die ehrliche, offene Kommunikation kann natürlich demzufolge auch zu einem Gesichtsverlust des Managements führen. Das passiert übrigens schon beim Eintritt von CRO oder CTO selbst. Das müssen sie akzeptieren. In einem glücklichen Fall aber, mit der Zeit könnte dann das Management von dem „gemeinsamen Erfolg“ sogar profitieren. Dies erfordert eine hohe mentale Kultur des Managements.
Die Bedeutung des CFO
Es gibt noch einen weiteren Faktor, der hervorgehoben werden muss, nämlich die Rolle des Finanzmanagements. Ohne einen gut funktionierenden CFO kann keine Veränderung, keine Restrukturierung, keine Transformation erfolgreich sein. Immerhin liefert der CFO die Basisdaten, auf denen nicht nur das Handeln, sondern auch die Kommunikation basiert, das bekannte „Was?“ und „Warum?“. Ohne Zahlen, Daten, Fakten wird das Projekt einerseits diskreditiert, andererseits wird es ständigen internen Angriffen ausgesetzt sein. Durch korrekte Zahlen, Daten und Fakten sind CRO und CTO auch dem Auftraggeber gegenüber rechenschaftspflichtig.
Die Bedeutung von HR
Ohne HR-Unterstützung ist der Erfolg eines der oben genannten Prozesse sowohl aus praktischer als auch aus kommunikativer Sicht grundsätzlich nicht denkbar. Somit wird im glücklichen Fall die HR-Leitung in der Lage geraten, sich in die Prozesse einzubringen, die Bedeutung ihrer Rolle akzeptieren zu lassen und sich sogar in den Vordergrund zu stellen und Veränderungen aktiv umzusetzen.
Der Erfolg hängt wie immer von der Qualität der Führung ab, insbesonders von der konsequenten Durchsetzungskraft seitens CRO oder CTO.
FAQ
Eine geschäftlich bedrohende Situation.
Die strategischen Elemente.
Es könnte mehrere Jahre sein.